Was ist der ökonomische Fußabdruck?
Der ökonomische Fußabdruck bewertet den Beitrag einer Organisation für die Volkswirtschaft. Er umfasst die gesamten wirtschaftlichen Effekte, sowohl aus direkten Unternehmensaktivitäten als auch entlang der Wertschöpfungskette. Die Bewertung erfolgt anhand verschiedener Indikatoren, darunter Einkommen, Beschäftigung, Arbeitsproduktivität, Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten (F&E) oder F&E-Intensität.
Der ökonomische Fußabdruck als eine Säule der Triple-Bottom-Line
Der ökonomische Fußabdruck ist neben der ökologischen und sozialen Säule eine der drei Komponenten der sogenannten Triple-Bottom-Line. Das Konzept von John Elkington aus den 1990er Jahren berücksichtigt erstmals ökonomische Kennzahlen gleichberechtigt mit sozialen und ökologischen Auswirkungen.
Exkurs: Der ökologische und soziale Fußabdruck
Der ökologische Fußabdruck misst die Auswirkungen einer Organisation auf die Umwelt. Indikatoren hierfür sind Landnutzung, Wasserverbrauch, Luftemissionen und der Verbrauch natürlicher Ressourcen.
In Anlehnung an den ökonomischen und ökologischen Fußabdruck zeigt der soziale Fußabdruck die Auswirkungen eines Unternehmens auf die Gesellschaft. Er umfasst eine Vielzahl sozialer Indikatoren – etwa die Vielfalt der Belegschaft, Arbeitsunfälle, arbeitsbedingte Krankheiten oder das Risiko von Kinderarbeit in der Lieferkette.
Berechnung des ökonomischen Fußabdrucks
Der ökonomische Fußabdruck berücksichtigt die direkten, indirekten und induzierten wirtschaftlichen Auswirkungen eines Unternehmens. Die direkten Auswirkungen ergeben sich beispielsweise aus gezahlten Gehältern oder Steuern. Indirekte Effekte entstehen durch den Einkauf von Waren und Dienstleistungen durch ein Unternehmen. Induzierte Effekte erfassen die volkswirtschaftlichen Auswirkungen aus den direkt und indirekt gezahlten Gehältern.
Indikatoren
Ökonomische Indikatoren sind Messgrößen für die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Organisation. Sie ermöglichen, den ökonomischen Fußabdruck mehrdimensional darzustellen. Im Folgenden werden die drei meist genutzten Indikatoren Bruttowertschöpfung, Beschäftigung sowie Forschung und Entwicklung näher erklärt.
Bruttowertschöpfung
Die weithin akzeptierte Methode zur Messung der direkten ökonomischen Auswirkungen eines Unternehmens ist dessen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt (BIP). Das BIP ist sowohl ein bewährter Indikator für den Marktwert der produzierten Waren und Dienstleistungen als auch ein umfassenderes Maß als Gewinne allein.
Der Fachbegriff für den BIP-Beitrag eines Unternehmens ist die Bruttowertschöpfung (BWS). Summiert man die Bruttowertschöpfung aller Wirtschaftsakteure eines Landes plus Steuern und minus Subventionen, erhält man das BIP des jeweiligen Landes. Die Bruttowertschöpfung eines Unternehmens kann somit auch als BIP-Beitrag bezeichnet werden.
Das System der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung definiert Bruttowertschöpfung als den Wert des Outputs abzüglich des Wertes der Vorleistungen. Der Output ist die Gesamtheit der während eines Rechnungszeitraums geschaffenen Produkte. Vorleistungen bestehen aus Waren und Dienstleistungen, die als Vorleistungen in einem Produktionsprozess verbraucht werden, mit Ausnahme von Anlagegütern, deren Verbrauch als Abschreibungen verbucht wird. Die Waren und Dienstleistungen werden entweder umgewandelt oder durch den Produktionsprozess verbraucht (Eurostat 2013).
Beschäftigung
Der Beschäftigungs-Indikator spiegelt die Anzahl der Arbeitsplätze wider, die durch Organisationen geschaffen werden. Neben direkt angestellten Mitarbeitenden entstehen indirekte Beschäftigungseffekte aus dem Einkauf von Vorleistungen entlang der Lieferkette. Hinzu kommen induzierte Arbeitsplätze, die durch die Ausgaben der Mitarbeitendengehälter unterstützt werden.
Forschung und Entwicklung
Forschung und Entwicklung (F&E) ermöglichen neue Kombinationen bestehender Ressourcen und gelten daher als Ursprung für wissensbasiertes, langfristiges Wirtschaftswachstum. Daher werden F&E-Ausgaben als Investitionen in Vermögenswerte einer Organisation anerkannt. Diese Betrachtung von F&E als Investition in geistiges Eigentum führt zu einem spürbaren Anstieg des BIP und anderer Wirtschaftskennzahlen.
Wie kann der ökonomische Fußabdruck genutzt werden?
Der ökonomische Fußabdruck liefert wissenschaftliche Belege für die ökonomischen Auswirkungen einer Organisation. Dies ermöglicht ein besseres Verständnis der wirtschaftlichen Bedeutung eines Unternehmens – sowohl für interne als auch externe Stakeholder. Zudem trägt der ökonomische Fußabdruck als Standardmaß für die Bewertung wirtschaftlicher Auswirkungen zu einer gesteigerten Transparenz und Vergleichbarkeit bei.
Weitere Anwendungsmöglichkeiten sind:
- Grundlage für interne und externe Entscheidungsfindung
- Vergleichbarkeit der ökonomischen Bedeutung auf Länder-, Regionen- oder globaler Ebene
- Messung des Beitrags zu den Zielen der F&E-Politik
- Bewertung des Beitrags zu den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen
Fallstudie: Der ökonomische und F&E-Fußabdruck des Graphen-Flaggschiff-Projektes
In einer Studie untersuchte WifOR die wirtschaftlichen Auswirkungen des Graphen-Flaggschiff-Projektes für Europa und global. Die Studie quantifiziert den ökonomischen und F&E-Fußabdruck – gemessen als Bruttowertschöpfung – sowie die Arbeitsplätze, die durch die Forschung und Entwicklung (F&E) des Programms von 2014 bis 2030 geschaffen werden.
Das Graphen-Flaggschiff-Projekt
Graphen ist ein Material auf Kohlenstoffbasis, das in den Bereichen Energie, Bauwesen, Gesundheit, Verkehr und Elektronik eingesetzt wird. Um die Technologien auf Graphen-Basis und verwandten Schichtmaterialien zu entwickeln und zu vermarkten, hat die EU das kollaborative Forschungs- und Innovationsprojekt Graphen-Flaggschiff ins Leben gerufen. Für das Programm wurden akademische und industrielle Forscher:innen zusammengebracht.
Das Graphen-Flaggschiff-Projekt besteht seit Oktober 2013 und war eines der ersten beiden Future Emerging Technologies (FET) Flaggschiffen, die von der Europäischen Kommission initiiert wurden. Seit seinem Start wurde es sowohl von der Europäischen Kommission als auch von den EU-Mitgliedstaaten und den assoziierten Ländern finanziert.
Vorstellung der Studie
Die Aktivitäten des Graphen-Flaggschiff-Projektes führten zu einem hohen ökonomischen Beitrag und schufen neue Beschäftigungsmöglichkeiten in Europa und darüber hinaus. Das Ziel der Studie bestand darin, die wirtschaftlichen Auswirkungen des Programms seit seiner Einführung abzuschätzen, einschließlich des Marktanteils und einer Projektion bis 2030. WifOR sprach mit Jari Kinaret, Leiter des Graphen-Flaggschiff-Projektes, über die gewonnenen Erkenntnisse und künftige Verwendung der Studie.
1. Was hat Sie dazu bewogen, eine WifOR-Studie in Auftrag zu geben, die den wirtschaftlichen und F&E-Fußabdruck des Graphen-Flaggschiff-Projektes misst?
Die exakte Messung der Auswirkungen einer öffentlich finanzierten Forschungstätigkeit ist recht kompliziert und kann laut akademischen Studien erst zehn bis 15 Jahre nach Abschluss der Tätigkeit erfolgen. Wir wollten sehen, was man früher tun kann, und suchten nach einer externen Partei mit Kompetenz in diesem Bereich.
2. Könnten Sie unseren Leser:innen bitte die wichtigsten Schritte der Zusammenarbeit mit WifOR schildern?
Der Prozess begann mit einem Dialog zwischen uns, denFlaggschiff-Partnern und WifOR, um festzustellen, was innerhalb des gegebenen Zeit- und Budgetrahmens realistischerweise erreicht werden könnte. Anschließend war es wichtig, ein gegenseitiges Verständnis dafür zu entwickeln, wie die Methode von WifOR effektiv auf ein komplexes Projekt wie das Graphen-Flaggschiff angewendet werden kann. An diesem Projekt war ein umfangreiches Netzwerk von über 170 Partnern und 100 assoziierten Mitgliedern aus verschiedenen Branchen in mehr als 20 Ländern beteiligt. Diese Schritte legten den Grundstein für unsere erfolgreiche Zusammenarbeit.
3. Wie werden Sie die Ergebnisse nutzen?
Wir werden sie in erster Linie als eine Komponente bei der Berichterstattung über die Auswirkungen des Graphen-Flaggschiffs verwenden. In einem ersten Schritt werden die Ergebnisse in einen Bericht einfließen, den wir der Europäischen Kommission vorlegen werden. Später werden sie Teil eines Berichts, den wir zusammen mit der Europäischen Kommission und externen Parteien erstellen werden.
Jari Kinaret
Leiter des Graphen-Flaggschiff-Projektes
Die WifOR-Studie über den ökonomischen und F&E-Fußabdruck des Graphen-Flaggschiffs beweist in erster Linie, dass sich die EU-Investitionen in das Programm auf vielfältige Weise auszahlen – in Europa und weltweit.
4. Warum ist es wichtig, der Öffentlichkeit wissenschaftliche Daten über den wirtschaftlichen und F&E-Fußabdruck von Graphen zur Verfügung zu stellen?
Das Graphen-Flaggschiff-Projekt wurde von den europäischen Steuerzahler:innen finanziert. Deshalb ist Transparenz wichtig, dass die Öffentlichkeit versteht, was wir mit den Geldern erreicht haben. Die Analysen können zur Bewertung der Leistung verschiedener Finanzierungsmechanismen herangezogen werden und helfen den politischen Entscheidungsträger:innen bei der Entwicklung bewährter Verfahren zur Bewältigung künftiger Herausforderungen.
5. Wie könnten die Ergebnisse der Studie die Entscheidungen des Graphen-Flaggschiff-Projektes in Zukunft beeinflussen?
Aufgrund der Entscheidungsfristen in der europäischen Politik könnte es schwierig sein, diese Ergebnisse direkt für die nächsten Schritte zu nutzen. Die meisten Entscheidungen für die nächsten Jahre sind bereits getroffen worden. Auf etwas längere Sicht können die Ergebnisse jedoch künftige Finanzierungsentscheidungen beeinflussen und vielleicht dazu beitragen, die weitere Unterstützung für die Forschung und Innovation zu sichern.
6. Welche Auswirkungen wird das Projekt Ihrer Meinung nach auf die Standards der Industrie haben?
Das Hauptziel des Graphen-Flaggschiff-Projektes ist die Industrialisierung von Technologien, die auf Graphen und verwandten Materialien basieren. Dies setzt unter anderem voraus, dass die industriellen Akteure und Entscheidungsträger:innen Vertrauen in die neue Technologie entwickeln, und dieses Vertrauen erfordert wiederum, dass wir konkrete Auswirkungen aufzeigen können. Die Studie von WifOR wird zu diesem Ziel wesentlich beitragen.
Vielen Dank für das Interview!