Kampagne anlässlich des Weltfrauentages 2024

#InclusionMatters: Aktuelle Studien zu Gender Gaps

Frauen in Deutschland verdienen weniger, arbeiten mehr und befinden sich häufiger in finanziellen Abhängigkeitssituationen. Die #InclusionMatters-Kampagne von WifOR zielt darauf ab, bestehende Gender Gaps sichtbar zu machen und langfristig zu einer inklusiveren Gesellschaft beizutragen. Mehr zu den wissenschaftlichen Zusammenhängen, die hinter der Kampagne stehen, erfahren Sie in diesem Artikel.

Mit dem Equal Care Day, Equal Pay Day und International Women’s Day steht der März im Zeichen der Aktionstage für mehr Gleichberechtigung der Geschlechter. Wie aktuelle Studien zeigen, ist das Thema auch 2024 von höchster Relevanz: Laut den neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2023 liegt der Unterschied im durchschnittlichen Bruttostundenlohn zwischen den Geschlechtern in Deutschland nach wie vor bei 18 Prozent. Damit landet Deutschland im Vergleich mit anderen EU-Ländern auf dem drittletzten Platz. Der Gender Pay Gap hat sich in Deutschland sowie in Gesamteuropa seit 2006 kaum verändert und zeigt das Ausmaß der strukturellen Unterschiede und Hürden für Frauen auf dem Arbeitsmarkt.

Die große Lücke in der Bezahlung bildet sich nach der Familiengründung

Während der Bruttostundenlohn beider Geschlechter von 15 bis 25 Jahren noch in etwa gleich hoch ist und zunächst in gleichem Maße ansteigt, stagniert der Bruttostundenlohn von Frauen ab einem Alter von 30 Jahren. Hierbei handelt es sich um das Durchschnittsalter von Frauen bei der Geburt ihres ersten Kindes. Während laut Väterreport des Bundesfamilienministeriums (2023) die Hälfte der Väter angeben, die Kinderbetreuung gleichmäßig aufteilen zu wollen, setzen dies jedoch nur 21 Prozent um. Da somit auch heute noch vor allem Frauen zugunsten der Kinderbetreuung ihren Beruf aufgeben oder die Lohnarbeit reduzieren, mindert sich nicht nur ihr durchschnittlicher Bruttostundenlohn, sondern auch ihr absolutes Einkommen.

Branche, Lebensort und Demographie beeinflussen Gender Gaps

Wie groß die Geschlechterungerechtigkeit ist, unterscheidet sich je nach Branche, Lebensort und weiteren demographischen Merkmalen. Beispielsweise zeigt eine von ver.di in Auftrag gegebene Auswertung, dass der Gender Pay Gap im Kulturbereich durchschnittlich bei 24 Prozent liegt, und damit sechs Prozentpunkte höher als im Branchendurchschnitt. Im Bereich Mode-Design liegt der Gender Pay Gap sogar bei etwa 50 Prozent, also mehr als doppelt so hoch wie im Branchendurchschnitt. Zudem gibt es erste Hinweise darauf, dass, wenn trans Personen eine Geschlechtsanpassung vornehmen, dies aufgrund von nachfolgender Diskriminierung häufig zu geringeren Löhnen führt. Zudem zeigt der Väterreport 2023 des BMFSFJ erhebliche Unterschiede je nach individuellen Einstellungen und Bundesland. Zum Beispiel variierte die Bezugsdauer für Väter von Kindern, die im Jahr 2020 geboren wurden, insgesamt zwischen 2,9 Monaten in Bayern und Thüringen und 4,5 Monaten in Berlin. Die höchste Väterbeteiligung liegt mit 54,7 Prozent in Sachsen, während das Saarland mit 33,8 Prozent das Schlusslicht bildet.

Gender Gaps: Welche konkreten Folgen haben sie für Frauen?

Als Folge der geringeren Lohnarbeitszeit beziehen Frauen im Durchschnitt etwa 30 Prozent weniger Rente als Männer („Gender Pension Gap“) und sind deutlich häufiger von Altersarmut bedroht. Dadurch verdienen Frauen über ihr gesamtes Leben gerechnet deutlich weniger Geld als Männer. Der sogenannte Gender Lifetime Earnings Gap von Männern und Frauen in Deutschland wird auf etwa eine halbe Million Euro pro Person geschätzt. Dabei kommen Frauen, wenn man die Arbeitsstunden aus bezahlter Lohnarbeit und dem Gender Care Gap zusammenrechnet, in Summe auf mehr Arbeitsstunden als Männer (57,7 vs. 52,7 Stunden je Woche).

Da Frauen auch heute noch deutlich mehr Sorgearbeit als Männer leisten, haben sie den überwiegenden Teil des Mental Loads der Organisation des Familienlebens zu schultern – ein Aspekt der ungleich verteilten Sorge- und Pflegearbeit, welcher sich nicht in vor zeitlichen oder monetären Maßeinheiten ausdrücken lässt. Doch geringere Renten, ein höheres Armutsrisiko und ein größerer Mental Load sind nicht die einzigen Folgen der ungleich verteilten Erwerbsarbeit.

Laden Sie hier das Positionspapier herunter:

Gender Gaps – Positionspapier

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Finanzielle Abhängigkeit begünstigt finanzielle Gewalt

Geringere Gehälter und unbezahlte Familien- und Pflegearbeit können auch zu finanziellen Abhängigkeitssituationen führen. Fast jede dritte Frau in Deutschland gibt an, in finanzieller Abhängigkeit zu leben. Und 82 Prozent dieser Frauen gehen zudem davon aus, dass sie auch in Zukunft nicht finanziell unabhängig werden können. Es darf angenommen werden, dass finanzielle Abhängigkeit in der eigenen Partnerschaft es Frauen erschwert, gegenüber ihrem Partner selbstbewusst für ihre Bedürfnisse einzutreten oder sich von ihrem Partner zu trennen.

Ökonomische Abhängigkeit kann zudem finanzielle Gewalt zur Folge haben. Dies ist der Fall, wenn ein Partner oder eine Partnerin die finanzielle Abhängigkeit des anderen ausnutzt. Ein Beispiel dafür ist, wenn die Person, die sich um die Kinderbetreuung kümmert, deutlich weniger Geld zur Verfügung hat als die erwerbstätige Person. Dadurch wird die betreuende Person gezwungen, ihren Konsum stark einzuschränken, während die erwerbstätige Person luxuriösere Güter genießen kann. Ein weiteres Beispiel ist, wenn unterhaltspflichtige Personen damit drohen, die Unterhaltszahlung für die Kinder zu kürzen oder ganz einzustellen, was die andere Person in eine existenzbedrohende Lage bringt.

Wie kann Geschlechtergerechtigkeit erreicht werden?

Finanzielle Gewalt schwächt das Selbstbewusstsein und kann auch traumatischen Folgen haben. Durch das immer noch präsente Einverdienermodell beziehungsweise die ungleiche Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit sind vor allem vermutlich Frauen von finanzieller Gewalt betroffen.

Ein wichtiger Hebel zum Erreichen einer Geschlechtergerechtigkeit wäre beispielsweise eine Reform des Ehegattensplittings, da dieses in seiner jetzigen Form eine ungleiche Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit begünstigt. Zudem könnte auch eine Anpassung des Elterngeldes zu mehr Geschlechtergerechtigkeit beitragen, da Weichenstellungen bezüglich der Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit häufig schon früh nach der Geburt vorgenommen werden. Das Elterngeld könnte beispielsweise nach und nach so angepasst werden, dass der Gesamtbetrag am höchsten wird, wenn beide Elternteile eine siebenmonatige Elternzeit wählen.

Neben politischen Maßnahmen sind jedoch auch unternehmerische Veränderungen bedeutend. Denn die Schaffung einer Unternehmenskultur, welche einer fairen Aufteilung von Sorge- und Pflegearbeit positiv begegnet, ist für den gesellschaftlichen Wandel ebenso relevant. Eine solche Unternehmenskultur kann zum Beispiel eine geschlechterübergreifend höhere Akzeptanz für Teilzeit, flexible Arbeitszeiten und (mehr) Home-Office-Möglichkeiten beinhalten – auch für Führungskräfte.

Diskriminierung im Job, Folgen für Betroffene und der gesamtgesellschaftliche Impact

Strukturelle Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt manifestiert sich nicht nur im Gender Pay Gap. Eine strukturelle Diskriminierung kann auch am Arbeitsplatz selbst entstehen, beispielsweise in einer geringeren Einbindung in informelle Netzwerke oder in einer unfairen Behandlung durch das Management, was die Karrierechancen verringern kann. Nicht nur Frauen, sondern auch andere gesellschaftliche Gruppen wie beispielsweise Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit Behinderung und nicht heterosexuelle Menschen sind von solchen Diskriminierungen am Arbeitsplatz betroffen. Dies kann die mentale Gesundheit von Betroffenen deutlich verschlechtern.

Wie wichtig eine inklusive und von unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen als fair wahrgenommene Unternehmenskultur für die mentale Gesundheit von Beschäftigten und damit auch für die Volkswirtschaft ist, wird WifOR im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung innerhalb der nächsten drei Jahre untersuchen. Auf Basis einer dreiwelligen repräsentativen Befragung wird WifOR deskriptive Analysen, kausale Zusammenhangsanalysen und eine Berechnung des Social Impacts durchführen.