Unbesetzte Stellen oder unterqualifizierte Bewerbende – der Fachkräftemangel beschäftigt Unternehmen über Branchen und Regionen hinweg. Derzeit fehlen auf dem deutschen Arbeitsmarkt rund 1,2 Millionen Fachkräfte. Laut einer WifOR Studie im Auftrag von PWC wird diese Zahl bis 2030 auf über 4 Millionen ansteigen. Den Personalbedarf langfristig zu sichern, ist eine der größten Herausforderungen für Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt – sowohl innerhalb Deutschlands als auch darüber hinaus. Mithilfe eines HR-Benchmarking können Unternehmen ihre internen Kennzahlen mit Durchschnittswerten ihrer Branche und Region vergleichen, mit externen Arbeitsmarktdaten in Kontext setzen und anhand dieser Ergebnisse ihre strategische Personalplanung optimieren.
Die Ziele des HR-Benchmarking:
- Untersuchung der externen Situation an einem Standort: Die Bedeutung der zunehmenden Digitalisierung, des demografischen Wandels, von neuen Beschäftigungsformen oder von Zuwanderung für die strategische Personalplanung eines Unternehmens.
- Analyse der internen Situation im Unternehmen: Benchmarking der Personaldaten: häufige Positionen, Durchschnittsalter, Frauenanteil, Anteil an Personen mit Migrationshintergrund und Anteil an geringfügig Beschäftigten.
- Das Ergebnis: Eine strategische Personalplanung, die die internen Stärken und Schwächen des Unternehmens kennt und die externen Chancen und Risiken auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigt, um auf dem Arbeitsmarkt 5.0 langfristig den Fachkräftebedarf im Unternehmen zu sicher
HR-Benchmarking: von makroökonomischen Beobachtungen zu individualisierten Maßnahmen
Der demografische Wandel führt dazu, dass mehr Arbeitnehmende den Arbeitsmarkt verlassen als hinzukommen, während die Digitalisierung und die angestrebte Dekarbonisierung der Industrie die Qualifikationsanforderungen für viele Berufe grundlegend verändern. Zudem ist eine sogenannte Überakademisierung zu beobachten, da sich heute im Vergleich zu 1990 fast nur noch halb so viele Schulabsolvent:innen für eine Berufsausbildung und signifikant mehr für ein akademisches Studium entscheiden (Demografieportal, 2022). Gleichzeitig haben sich die Prioritäten vieler Arbeitnehmenden verändert. Zum Beispiel gewinnt eine ausgewogene Work-Life-Balance zunehmend an Bedeutung. Diese „Megatrends“ bilden den sogenannten Arbeitsmarkt 5.0 ab, in dem eine Machtverschiebung zwischen Arbeitgebern und (potenziellen) Arbeitnehmenden stattfindet. Während es bei den Begriffen Arbeitsmarkt 1.0 bis 4.0 überwiegend um die Optimierung von Abläufen und Geschäftsprozessen ging, tritt hier der Mensch in den Mittelpunkt. Um diese Megatrends bei der strategischen Personalplanung zu berücksichtigen, müssen eine Reihe vielfältiger Faktoren branchen- und regionenspezifisch analysiert werden.
Warum ist HR-Benchmarking ein wertvolles Instrument für die strategische Personalplanung?
Der aktuelle Fachkräftemangel wird sich künftig weiter verschärfen und kann einen großen Einfluss auf die Geschäftsfähigkeit von Unternehmen haben. Mithilfe einer strategischen Personalplanung können Unternehmen diesem Umstand entgegenwirken. Hierzu bedarf es jedoch nicht nur der Ermittlung des zukünftigen Personalbedarfs, sondern auch den Abgleich mit der Entwicklung des Arbeitsmarktes. Es benötigt ein valides Benchmarking, bestehend aus internen Personal- sowie externe Arbeitsmarktdaten, mit dem Ziel, eine Personalplanung zu entwickeln, die auf den externen Chancen und Risiken des Arbeitsmarktes basiert, um Unternehmensstärken auszubauen und Schwächen entgegenzuwirken.
Definition: HR-Benchmarking als Teil der strategischen Personalplanung
WifOR definiert daher die strategische Personalplanung als das in Einklang bringen des internen Personalmanagements eines Unternehmens mit dem externen Arbeitsmarkt, damit die Vision und Ziele des Unternehmens langfristig erreicht werden können. Mit einem Ansatz, der über den unmittelbaren Bedarf an Arbeitskräften hinausgeht und Benchmarks berücksichtigt, können sich Unternehmen vorteilhaft positionieren. Ein längerer Zeithorizont ermöglicht nicht nur die strategische Vorbereitung der internen Entwicklung (beispielsweise die Festlegung jährlicher Unternehmensziele bis 2030), sondern schützt auch vor Produktivitäts- und Leistungseinbußen bei unzureichenden Arbeitskapazitäten. Das Personalbenchmarking umfasst zwei Hauptdimensionen: eine interne und eine externe Analyse.
Interne Analyse
Um den internen Status quo zu verstehen, muss ein Unternehmen seine derzeitige Belegschaft, den Personalbedarf, den Rekrutierungsprozess und die Entwicklung des Personals (z. B. durch Weiterbildung oder Schulung) analysieren. Dabei sind Faktoren wie das Durchschnittsalter der Beschäftigten, die Geschlechterverteilung, der Anteil der Beschäftigten mit Migrationshintergrund sowie die Beschäftigungsformen (geringfügig, Teilzeit, Vollzeit) relevant.
Externe Analyse
Zudem muss die externe Situation auf dem Arbeitsmarkt sowie künftige Trends berücksichtigt werden, die die Branche, Region und beruflichen Anforderungen des Unternehmens betreffen. Beispielsweise könnte die Belegschaft eines Unternehmens zu 51 % aus Frauen bestehen, was über dem Branchendurchschnitt von 46 % liegt. Wenn jedoch mehr als drei Viertel der beschäftigten Frauen geringfügig beschäftigt sind (reduzierte Arbeitszeiten), besteht ein erhebliches Potenzial, freie Stellen durch internes Personal zu besetzen.
Interne Indikatoren | Externe Indikatoren |
Altersstruktur | Demografischer Wandel |
Genderdiversität | Digitalisierung |
Anteil Mitarbeitender mit Migrationshintergrund | Konjunkturzyklen |
Fluktuation | Kultureller Wandel |
Dauer der Betriebszugehörigkeit | Migration |
Gehälter und Löhne | Anforderungen der Bewerbenden |
Bildungslevel | Angebot und Nachfragesituation von Berufsgruppen |
Anforderungen der Arbeitnehmenden |
Diese internen und externen Informationen zu nutzen, bedeutet, die Auswirkungen der Arbeitsmarktentwicklungen für ein Unternehmen zu interpretieren und eine Personalstrategie umzusetzen, mit der es gelingt, den Fachkräftebedarf des Unternehmens langfristig zu sichern.
Hierzu bedarf es folgender Schritte:
- Die internen Personaldaten einordnen, indem diese mit Branchenbenchmarks in Relation gesetzt werden. Zu den Indikatoren zählen etwa Durchschnittsalter, Frauenquote, Fluktuation, Betriebszugehörigkeit, Gehalt, Bildungsniveau oder die Anzahl der Auszubildenden.
- Die Bedarfssituation mit der Angebotssituation abgleichen – brachen-, regionen- und berufsspezifisch, um zu ermitteln, ob es in einer Region in den nächsten Jahren ausreichend Fachkräfte für den Personalbedarf eines Unternehmens gibt, oder ob diese in anderen Regionen oder durch Umschulungen gedeckt werden können.
- Die Anforderungen von Bewerbenden kennen. Was bieten Unternehmen an und wo gibt es Potentiale, um Bewerbende zu überzeugen, auch neben Aspekten wie etwa dem Gehalt?
- Strategisch kluge Entscheidungen anhand von Szenarien treffen. Beispielsweise kann proaktives Rekrutieren von Arbeitskräften Kosten einsparen. Wenn die Fachkräftesituation die folgenden Jahre noch prekärer wird, wird sich der Einstellungsprozess verlängern, die Kosten steigen und Arbeit liegen bleiben.
In dem folgenden Video sehen sie anhand verschiedener Beispiele, wie die strategische Personalplanung dazu beitragen kann, strategisch kluge Entscheidungen zu treffen.
Fazit
Im Kern geht es bei der strategischen Personalplanung darum, die allgemeinen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt einzuschätzen und diese auf die individuelle Situation eines Unternehmens zu beziehen. Dieser Prozess ermöglicht es Personalstrategien zu entwickeln, die die Stärken und Schwächen eines Unternehmens kennt und gleichzeitig die Chancen und Risiken des externen Arbeitsmarktes berücksichtigt.