Glossar Gesundheitsökonomie
Dieses Glossar bietet einen Überblick über wichtige Begriffe und relevante Konzepte im Bereich der Gesundheitsökonomie. Es erklärt Abkürzungen, definiert Terminologien und schafft eine Verbindung zwischen wissenschaftlicher Literatur und Praxis, um zu einem besseren Verständnis gesundheitsökonomischer Zusammenhänge beizutragen.
Bruttowertschöpfung (BWS)
Die Bruttowertschöpfung (BWS) ist ein wirtschaftlicher Indikator, der den Wert von produzierten Gütern und Dienstleistungen in einem bestimmten Gebiet, einer Branche oder einem Sektor einer Volkswirtschaft darstellt. Die BWS wird berechnet, indem der Wert der Vorleistungen von den Produktionswerten subtrahiert werden, um nur den Beitrag eines bestimmten Prozessabschnitts zu berücksichtigen.
Direkte BWS-Effekte
Direkte BWS-Effekte sind Veränderungen in der BWS, die den Schwankungen der Produktion eines Sektors entsprechen. Erhöhungen der Produktionsaktivität bedeuten entsprechende Erhöhungen der BWS gemäß des Produktions-BWS-Verhältnisses eines betrachteten Sektors (welches aus den Tabellen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen abgeleitet werden kann).
ESG
Das Akronym „ESG“ steht für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (eng. Environmental, Social, Governance). Es handelt sich um ein Regelwerk, das es ermöglicht Unternehmen in Bezug auf Nachhaltigkeitsthemen zu bewerten. Diese umfassen zum Beispiel Klimawandel, Menschenrechte, Vielfalt, Ethik und Transparenz.
F&E
Unter Forschung und Entwicklung (F&E) ist ein Bündel an strukturierten Aktivitäten zu verstehen, die von Unternehmen durchgeführt werden, um neue Produkte und Dienstleistungen unter Anwendung wissenschaftlicher Methoden einzuführen. F&E ist in der Regel die erste Phase im Entwicklungsprozess.
Gesundheits-Fußabdruck
Der Gesundheits-Fußabdruck bezeichnet den zusätzlichen gesundheitlichen Nutzen, den eine spezifische Gesundheitsmaßnahme im Vergleich zu einer alternativen Behandlung erzielen kann. Diese Verbesserung wird auf eine Patient:innenpopulation über einen festgelegten Zeitraum bezogen und bewertet.
Gesundheitsökonomie
Gesundheitsökonomie ist ein angewandtes und interdisziplinäres Forschungsgebiet, das sich mit der Sicherstellung von Gesundheit und Gesundheitsversorgung befasst. Es unterstützt Entscheidungen im Gesundheitswesen, indem es Kosten und Nutzen von Behandlungen und Interventionen analysiert. Ziel ist es, die Gerechtigkeit, Zugänglichkeit und Bezahlbarkeit der Gesundheitsversorgung zu verbessern. Die Gesundheitsökonomieforschung von WifOR zielt darauf ab, einen wissenschaftlichen Beitrag zu leisten um Entscheidungen zu unterstützen, die Zugang zu Gesundheit für alle zu erreichen, medizinische Innovationen und Präventionsprogramme voranzutreiben und die Lebensqualität von Menschen zu verbessern. Ein besonderer Fokus liegt dabei in der Darstellung des sozioökonomischen Wertes der Gesundheit und die damit einhergehenden positiven Effekte auf wirtschaftliches Wachstum und Stabilität.
Gesundheitstechnologiebewertung (HTA)
Die Gesundheitstechnologiebewertung (HTA) ist ein strukturierter Prozess um Entscheidungen über den Zugang zu Gesundheitsinterventionen zu unterstützen. Dabei werden Gesundheitstechnologien, Behandlungsverfahren, medizinische Geräte und Organisationsstrukturen von interdisziplinären Expert:innen systematisch bewertet. In den Verfahren werden nicht nur die medizinischen Vorteile berücksichtigt, sondern, je nach System, auch die wirtschaftlichen, ethischen und sozialen Auswirkungen einer Gesundheitsinnovation.
Gesundheitswirtschaft
Die Gesundheitswirtschaft ist eine Querschnittsbranche, welche die Bereitstellung sämtlicher Güter und Dienstleistungen erfasst, die dem Erhalt, der Wiederherstellung oder der Verbesserung der Gesundheit dienen. Dazu gehören auch Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten sowie der Groß- und Einzelhandel von Gesundheitstechnologien. ifOR hat die Gesundheitswirtschaft in drei Segmente unterteilt: Industrielle Gesundheitswirtschaft, medizinische Versorgung und die weiteren Teilbereiche. Diese differenzierte Betrachtung basiert auf einer langjährigen Forschung im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).
Indirekte BWS-Effekte
Indirekte BWS-Effekte basieren auf dem Konzept der Wertschöpfungsketten zwischen unterschiedlichen Sektoren. Sie stellen dar, wie sich die BWS in jenen Sektoren verändert, welche Waren und Dienstleistungen als Zwischenprodukte an einen Sektor liefern für welchen ein direkter BWS Effekt zu beobachten ist. Wenn beispielsweise eine Bäckerei die Produktion erhöht (direkter Effekt), bedeutet dies mehr Bedarf an Mehl, Hefe, Strom und Maschinen (indirekter Effekt).
Industrielle Gesundheitswirtschaft
Die Industrielle Gesundheitswirtschaft umfasst die Herstellung von Humanarzneimitteln, Medizinprodukte und medizintechnische Großgeräte, biotechnologische Güter, E-Health-Lösungen sowie den Großhandel und F&E Aktivitäten im Bereich der Humanarzneimittel und der Medizintechnik.
Induzierte BWS-Effekte
Induzierte BWS-Effekte sind Veränderungen in der Bruttowertschöpfung, die durch Veränderungen im Konsum als Folge von direkten und indirekten Effekten verursacht werden. Eine erhöhte Bruttowertschöpfung impliziert eine erhöhte Arbeitsentlohnung. Dieses zusätzliche Einkommen wird wiederum (teilweise) für den Konsum von Gütern und Dienstleistungen ausgegeben, was wiederum zu weiterer Produktion und Bruttowertschöpfung führt.
Inzidenz
Die Inzidenz beschreibt die relative Häufigkeit von neu aufgetretenen Krankheitsfällen in einer Population (Inzidenzfälle) über einen bestimmten Zeitraum. Sie wird in der Regel als die Anzahl neuer Fälle pro 100.000 Menschen angegeben. Zusammen mit der Prävalenz ist sie eine der zentralen Kennzahlen zur Beschreibung und Analyse der Ausbreitung einer Krankheit in einer Bevölkerungsgruppe.
Markov-Modell
Das Markov-Modell ist ein statistisches Modell, um Zustandsübergänge mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten darzustellen. Es wird in der gesundheitsökonomischen Forschung verwendet, um zu simulieren, wie sich Patient:innen im Laufe der Zeit zwischen verschiedenen festgelegten Gesundheitszuständen bewegen werden. Es teilt den Analysezeitraum in kleinere Abschnitte (Zyklen), während die Patient:innen mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit von einem Zustand in einen anderen wechseln.
Medizinische Versorgung
In diesem Bereich finden sich Dienstleistungen von Krankenhäusern, Rehabilitations- und Präventionszentren, (teil-)stationären Einrichtungen, medizinischen und zahnmedizinischen Praxen sowie ambulanten Pflegeeinrichtungen.
Patient:innen berichtete Ergebnisse (PRO)
PRO steht für Patient:innen berichtete Ergebnisse (eng. Patient-reported outcomes) und ist ein generischer Begriff für verschiedene Konzepte zur Messung subjektiv wahrgenommener Gesundheitszustände. Diese zeichnen sich durch die Selbstbewertung der Patient:innen von Krankheitssymptomen, Lebensqualität oder einer medizinischen Maßnahme aus.
Prävalenz
Die Prävalenz ist der Anteil einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, der von einer Krankheit betroffen ist. Sie wird als die Anzahl der von einer Krankheit betroffenen Personen im Verhältnis zur Gesamtzahl der untersuchten Personen berechnet und wird in der Regel als Bruch, Prozentzahl oder die Anzahl der Fälle pro 10.000 oder 100.000 Menschen ausgedrückt. Zusammen mit der Inzidenz ist die Prävalenz eine der wichtigsten Kennzahlen zur Beschreibung und Analyse der Ausbreitung von Krankheiten.
Qualitätsbereinigte Lebensjahre (QALYs)
QALYs steht für Qualitätsbereinigte Lebensjahre (eng. quality adjusted life years) – ein Maß für die Bewertung eines Lebensjahres in Relation zu einer bestimmten Erkrankung. Es wird in der ökonomischen Bewertung verwendet, um den Wert medizinischer Interventionen zu darzustellen. Ein QALY entspricht dabei einem Jahr in vollkommener Gesundheit für eine Person, während ein QALY von 0 dem Tod entspricht.
Sensitivitätsanalyse
Eine Sensitivitätsanalyse ist ein strukturierter Prozess, um die Robustheit eines mathematischen (ökonomischen) Modells, welches ein reelles Phänomen simuliert, zu bewerten. Dabei werden insbesondere die Auswirkungen von Variationen der unabhängigen Variablen auf eine bestimmte abhängige Variable / die Ergebnisse untersucht.
Sozioökonomischer Fußabdruck von Gesundheitsinnovationen
Der sozioökonomische Fußabdruck im generellen Sinne ist die Summe der wirtschaftlichen Vorteile, die mit den zusätzlichen gesundheitlichen Vorteilen einer Behandlung im Vergleich zu einem Komparator (in der Regel die Standardbehandlung) verbunden sind. Diese Vorteile werden über die gesamte Patient:innenpopulation über einen bestimmten Zeitraum hinweg evaluiert und in einem monetärem Wert ausgegeben. Am WifOR Institut bezieht die Berechnung des sozioökonomischen Fußabdrucks insbesondere die mit verbesserter Gesundheit einhergehende gewonnene produktive Zeit für bezahlte und unbezahlte Arbeit ein. Für die Monetarisierung wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) oder der Lohn pro Arbeitsstunde (d.h. Arbeitsproduktivität) herangezogen.
Sterberate
Die Sterberate ist ein Maß für die Anzahl der Todesfälle in einer bestimmten Bevölkerung, skaliert auf die Größe dieser Bevölkerung, pro Zeiteinheit. Sie wird in der Regel in Einheiten von Todesfällen pro 1.000 Personen pro Jahr ausgedrückt.
Unbezahlte Arbeit
Unbezahlte Arbeit bezeichnet Tätigkeiten, die eine Person außerhalb ihrer bezahlten Beschäftigung ausführt, wie Hausarbeit, Pflege- oder freiwillige Arbeit. Um unbezahlte Arbeit von Freizeit und anderen Aktivitäten zu unterscheiden, wird das Kriterium der „dritten Person“ verwendet: unbezahlte Arbeit umfasst nur Tätigkeiten, die theoretisch von einer anderen Person übernommen werden könnten.
Weitere Teilbereiche der Gesundheitswirtschaft
Die weiteren Teilbereiche der Gesundheitswirtschaft setzen sich aus einer Vielzahl oftmals unterstützender oder präventiver Güter und Dienstleistungen zusammen. Sie umfassen öffentliche und private Krankenversicherungen, öffentliche Gesundheitsverwaltung, Einzelhandel (u.a. Apotheken), Sportgeräte- und Dienstleistungen, Gesundheitstourismus, medizinische Literatur, Unternehmensberatung, Ausbildung in Gesundheitsberufen sowie weitere Waren- und Dienstleistungen im Gesundheitsbereich.
Wesentlichkeitsanalyse
Die Wesentlichkeitsanalyse („Materiality Assessment“) ist ein strategisches Analyseinstrument. Es dient zur Identifizierung und Bewertung potenzieller Umwelt-, Sozial- und Governance (ESG)-Themen, die sich auf ein Unternehmen und/oder seine Stakeholder auswirken könnten, also wesentlich sind. Sie hilft dabei, die relative Bedeutung bestimmter ESG- und Nachhaltigkeitsthemen zu verstehen und somit gezielt Verbesserungsmaßnahmen ableiten.
WPAIs
WPAI steht für Work Productivity and Activity Impairment Questionnaire. Dabei handelt es sich um Fragebögen zur Arbeitsproduktivität und Aktivitätseinschränkung, in denen Patient:innen angeben, inwieweit eine Krankheit sie daran hindert, Arbeit und tägliche Aktivitäten auszuführen. Der Fragebogen misst Einschränkungen bei beruflichen Tätigkeiten sowie alltäglichen Aktivitäten wie Hausarbeit oder körperliche Aktivität. WPAIs werden verwendet, um die Auswirkungen einer Intervention auf die Arbeitsproduktivität und Aktivität bei Patient:innen mit einer bestimmten Krankheit zu bewerten.
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