Benno Legler
Head of Operations
Ich weiß jetzt, wie es sich anfühlt, wenn die Kita anruft, um mein krankes Kind abzuholen. Das hilft mir – sowohl in meiner Rolle als Vorgesetzter als auch als Kollege.

Zwischen Fürsorge und Führung: Ein Gespräch über Elternzeit

Benno Legler war der erste aus dem Leadership-Team bei WifOR Institute, der für fast sieben Monate in Elternzeit ging. Neben der Betreuung seines Sohnes und Haushalt bedeutete diese Erfahrung für ihne auch, sich vom täglichen Arbeitsalltag zu lösen und mit persönlichen Vorurteilen auseinanderzusetzen. In dieser neuen Ausgabe von My WifOR Journey erzählt Benno welche Überraschungen er während der Elternzeit erlebt hat und was er im Nachhinein anders machen würde.

Was waren Deine ersten Gedanken in Bezug auf die Arbeit, als Du erfahren hast, dass Du Vater wirst?

Benno: Meine ersten Gedanken waren, dass ich Dennis, unseren CEO, mitteilen muss, dass ich Vater werde. Von Anfang an war klar, dass meine Frau und ich den 50/50-Ansatz verfolgen würden. Wir wollten jeweils die Hälfte der in Deutschland möglichen Elternzeit nutzen, um Zeit mit unserem Sohn zu verbringen. Für mich bedeutete das, fast sieben Monate von der Arbeit weg zu sein.

Es war nicht schwer, Dennis davon zu erzählen, er hat sich sehr für uns gefreut. Wir haben auf sehr konstruktive Weise über die Planung gesprochen und darüber, wie die Aufgaben und Themen, für die ich verantwortlich bin, organisiert werden können.

Also es war sehr einfach, die Nachricht zu teilen und ich fühlte mich von Anfang an verantwortlich, die Arbeit bestmöglich im Voraus zu organisieren.

Hattest Du auch Bedenken oder Sorgen bezüglich der Elternzeit?

Ehrlich gesagt, haben mich zwei Themen beschäftigt, die sich im Laufe der Zeit aber zum Glück gelegt haben. Meine erste Angst war, dass meine Kolleg:innen, während ich weg bin, zu der Erkenntnis kommen könnten, dass sie mich gar nicht brauchen, weil alles auch ohne mich gut läuft. Die zweite war, dass ich es nicht schaffe, all die Aufgaben und Verantwortungen, die ich regelmäßig übernehme, so zu organisieren, dass andere sie übernehmen können.

Hast Du beruflich oder privat erlebt, dass Geschlechterstereotype eine Rolle gespielt haben?

In meinem Arbeitsumfeld wurde ich nicht mit Stereotypen konfrontiert, eher in meinem persönlichen Umfeld. Es gab einige interessante Situationen, in denen mir die Frage gestellt wurde: „Oh, du nimmst also sieben Monate Elternzeit?“ Aber bei der Arbeit war jeder unterstützend und ermutigend, vom CEO bis zu meinen Kolleg:innen im Führungsteam. Und für uns als Familie war von Anfang an klar, dass dies der Weg war, den wir gehen wollten.

Wie hast Du die Arbeit praktisch organisiert für die Zeit, in der Du in Elternzeit bist?

Wir haben ein Aufgabenmanagement-Tool und etwa sechs Monate vor meiner Elternzeit habe ich dort ein „Elternzeit-Board“ erstellt. Ich habe mir genau überlegt, welche Bereiche ich in meiner Abteilung verantworte und dann Aufgaben und Themen gesammelt. Dabei ging es sowohl um aktuelle Themen als auch um Dinge, die in der Zukunft anfallen könnten.

Schritt für Schritt habe ich meinen Kolleg:innen in der Abteilung diese spezifischen Aufgaben zugewiesen und wir haben besprochen, was erledigt werden muss. Mein Ziel war es, meinen Teammitgliedern den besten Überblick und die bestmögliche Vorbereitung zu geben.

Welche Herausforderungen oder Überraschungen hast Du während Deiner Elternzeit erlebt?

Überraschenderweise war ich direkt nach Beginn meiner Elternzeit mental weit entfernt vom Tagesgeschäft. Ich habe vor 15 Jahren nach meinem Studium angefangen zu arbeiten und seitdem nie wirklich pausiert. Diese Art von Auszeit vom gewohnten Alltag hat mir gezeigt, wie wichtig andere Aspekte im Leben sind. In diesem Fall war es die Fürsorgearbeit und die Zeit, die ich mit meinem Sohn verbracht habe.

Ich dachte, es würde viel länger dauern, diese Distanz zu den Arbeitsthemen zu erreichen oder dass ich regelmäßig mein Diensthandy checken würde. Zwar habe ich einige Nachrichten beantwortet, aber nicht in übermäßiger Weise und ich hatte nicht das Gefühl, dass das meinen Fokus verschoben hätte.

Wie war es, wieder zur Arbeit zu kommen?

In der ersten Woche fühlte ich mich wehmütig, weil ich diese Auszeit sehr geschätzt habe und es so wertvoll war, Zeit mit meinem Sohn zu verbringen. Aber als ich zurückkam, fühlte ich mich auch wieder lebendiger, weil ich ebenfalls erkannte, dass es für mich auf lange Sicht kein Modell wäre, ausschließlich Fürsorgearbeit zu leisten. Die Arbeit bei WifOR ist inspirierend und anregend, daher bin ich jetzt dankbar, dass ich diese Mischung aus beiden Welten haben kann.

Inwiefern hat sich Deine Denkweise durch die Auszeit von der Arbeit verändert?

Ich kann jetzt sagen, dass es auch hilfreich ist, eine Zeit lang weg zu sein, auch wenn man leidenschaftlich bei der Arbeit ist. Es hilft einem, aus bestimmten Situationen herauszuzoomen oder sich aus Details herauszuhalten. Jetzt habe ich das Gefühl, dass meine Kolleg:innen viel besser darin sind, sich um solche Details zu kümmern. Wenn man ein Kind hat, besonders ein Baby, muss man lernen, Prioritäten zu setzen. Und ich denke, es hilft, den Fokus auf die wirklich wichtigen Dinge zu legen.

Was würdest Du wiederholen und was anders machen?

Ich würde wieder viel Vertrauen in meine Kolleg:innen setzen und darauf vertrauen, dass sie sich um das Tagesgeschäft kümmern, weil sie das auch getan haben. Das würde ich also nicht ändern.

Aber wenn ein Kollege oder eine Kollegin mir heute sagen würde: „Ich nehme Elternzeit“, wüsste ich, welche Fragen ich stellen müsste, um bei der Vorbereitung zu helfen. Welche Herausforderungen könnten auftreten? Wer ist die Vertretung, die in der Lage ist, diese Herausforderungen zu meistern? Was wurde unternommen, um diese Person auf die Aufgaben vorzubereiten?

Ich würde auch die Verbindung zwischen dem Führungsteam und meinem Operations-Team stärken, sodass es eine klare Vertretung gibt. Natürlich passieren in sieben Monaten viele unerwartete Dinge, daher hilft es, auf verschiedene Szenarien vorbereitet zu sein.

Was ist die wichtigste Lektion, die Du teilen möchtest?

Ich denke, es ist wichtig, auf eine Sache hinzuweisen, bevor ich die Frage beantworte: Ich hatte das Glück, diese Reise über viele Monate hinweg zu erleben, weil meine Frau und ich die wirtschaftlichen Möglichkeiten dazu hatten. Das bedeutet, dass wir uns um unsere Familie kümmern konnten, was Verdienstaussichten, Jobsicherheit und so weiter betrifft.

Aber wenn ich es sagen würde, dann: Wenn Du die Chance hast, Elternzeit zu nehmen, solltest Du es so lange wie möglich tun. Auch, wenn man sich sonst bei der Arbeit festgefahren fühlt oder eine Auszeit braucht, würde ich empfehlen, ein Sabbatical oder eine Pause von mehreren Monaten einzulegen. Aus der Perspektive der Arbeit macht einen das – aus meiner Sicht – zu einem besseren Mitarbeitenden, weil man neue Perspektiven gewinnt und lernt, Situationen aus der Vogelperspektive zu betrachten. Ich glaube, es ist eine Chance für jeden, den Horizont zu erweitern und eine neue Perspektive auf das Arbeitsleben zu bekommen.

Ich bin sehr dankbar, dass ich diese Erfahrung machen konnte, denn sie war unglaublich bereichernd.

Und wenn du deine Reise in drei Worten zusammenfassen müsstest, welche wären das?

Totally worth it!

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